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Vorsorge

Kündigung bei Krankheit?

24.9.2025
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Jürgen Sinn
4 Minuten

15 Tage waren Arbeitnehmer 2024 krank – ein neuer Rekord. Und viele, die ernsthaft erkrankt sind, fragen sich: Ist deshalb auch eine Kündigung erlaubt? Ja, sagt der Arbeitsrechtler Stefan Wiertner und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Zusammenfassung

Arbeitgeber können Arbeitnehmer wegen häufiger oder langandauernder Krankheit kündigen, jedoch ist die Wirksamkeit der Kündigung oft fraglich. Arbeitnehmer sollten in solchen Fällen eine Kündigungsschutzklage erheben. Das Bundesarbeitsgericht prüft die Kündigung auf Basis einer dreistufigen Prüfung: negative Gesundheitsprognose, Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen und Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers. Eine Kündigung ist nicht automatisch wirksam bei Fehlzeiten über sechs Wochen pro Jahr, da die Ursache der Krankheit entscheidend ist. Arbeitnehmer müssen bei negativer Prognose beweisen, dass sie den Job weiterhin ausüben können, z.B. durch ärztliche Atteste. Arbeitgeber müssen die betrieblichen Belastungen durch konkrete Kosten belegen. Besonderer Kündigungsschutz gilt für Schwangere, Angestellte in Elternzeit und Schwerbehinderte, nicht jedoch für ältere Mitarbeiter. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ist wichtig, um eine Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen. Bei einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage ist die Rückkehr an den Arbeitsplatz oder eine Abfindung möglich. Eine erfolgreiche Klage schützt nicht vor erneuter Kündigung bei neuen Fehlzeiten.

Dürfen Arbeitnehmer gekündigt werden, weil sie zu oft bzw. zu lange krank sind?
Grundsätzlich können Arbeitgeber kündigen, wenn Mitarbeiter sehr viele Fehlzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit aufweisen. Fraglich ist, ob die Kündigung auch wirksam ist. Denn alle Arbeitnehmer, die eine krankheitsbedingte Kündigung erhalten, sollten Kündigungsschutzklage erheben.

Kommt es dabei darauf an, ob man lange am Stück oder mehrfach kurze Zeit krank war?
Nein. Es gibt zwei Arten von Kündigungen: Zum einen wegen einer langandauernden Krankheit, zum anderen wegen häufiger Kurz-Erkrankungen – das gilt, wenn im Schnitt der letzten 3 Jahre Fehlzeiten von über 6 Wochen pro Jahr vorliegen.

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Arbeitstage (drei Wochen) fehlten Arbeitnehmer 2024 wegen Krankheit. Die Krankheits-Quote hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt – 2007 waren Arbeitnehmer im Schnitt ‚nur‘ 8 Tage pro Jahr krank. Besonders häufig krank sind Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst – 2024 fehlten sie im Schnitt 22 Tage.
Quelle: Statistisches Bundesamt

Heißt das, Arbeitgeber können bei einer Fehlzeit von mehr als sechs Wochen einfach kündigen?
Entscheidend ist, was das Arbeitsgericht sagt. Denn Arbeitnehmer, denen wegen Krankheit gekündigt wurde, sollten Kündigungsschutzklage einreichen. Das Gericht prüft dann, ob die Kündigung wirksam ist. Das Bundesarbeitsgericht hat dafür drei Stufen vorgeschrieben:

  • Besteht eine negative Gesundheitsprognose für die Zukunft?
  • Führen die Fehlzeiten zu erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen?
  • Müssen Arbeitgeber die Beeinträchtigungen hinnehmen, weil die Belange des Arbeitnehmers überwiegen?

Länge der Krankheit ist nicht entscheidend

Das heißt, es kommt nicht auf die Länge der Erkrankung an?
Genau. Fehlzeiten von mehr als 6 Wochen pro Jahr lösen nicht automatisch eine negative Gesundheitsprognose für die Zukunft aus. Es muss auch die Ursache der Arbeitsunfähigkeit betrachtet werden. So kann aus einem Beinbruch nach einem privaten Unfall keine negative Prognose abgeleitet werden, dass sich Mitarbeiter auch in den Folgejahren immer wieder ein Bein brechen.

Müssen Arbeitnehmer bei einer negativen Gesundheitsprognose beweisen, dass sie den Job auch künftig ausüben können?
Ja und Nein. Arbeitgeber begründen die Kündigung mit einer negativen Prognose, die aus der Zahl der Fehltage abgeleitet wird. Arbeitnehmer müssen dann darlegen, dass die Prognose doch positiv ist, z.B. durch Atteste von Ärzten.

Wie können Arbeitgeber die erhebliche Belastung belegen?
Durch konkrete Kosten. Dazu zählen z.B. die Lohn-Fortzahlung, betriebliche Ablauf-Störungen, mangelnde Planungs-Sicherheit, aber auch Kosten durch Überstunden für andere Mitarbeiter oder für Leih-Arbeitnehmer.

Besonderer Kündigungsschutz
Nur in Ausnahmefällen kann Schwangeren, Angestellten in Elternzeit und Schwerbehinderten wegen Krankheit gekündigt werden. Hier muss jeweils die zuständige Behörde der Kündigung vorab zustimmen. Keinen besonderen Kündigungsschutz haben aber ältere Mitarbeiter oder solche mit langer Betriebszugehörigkeit.

Müssen Arbeitnehmer vor einer Kündigung Angebote zur Wiedereingliederung machen?
Arbeitgeber brauchen ein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungs-Management. Denn dann kann vor dem Arbeitsgericht bewiesen werden, dass man alles unternommen hat, um Mitarbeitern nach einer Krankheit die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen. Wichtig ist aber, dass Arbeitnehmer solche Angebote zur Wiedereingliederung annehmen, sonst würde man bei einer Kündigungsschutzklage ein wichtiges Argument verlieren.

Was ist entscheidend für den Ausgang einer Kündigungsschutzklage?
Die Gesundheitsprognose. Eine Kündigungsschutzklage ist dann für Arbeitnehmer erfolgreich, wenn es keine negative Prognose gibt.

Quote

„Arbeitgeber können kündigen, wenn Mitarbeiter sehr viele Fehlzeiten aufweisen“

Stefan Wiertner

Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht


Ist es bei einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage üblich, dass Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplatz zurückkehren? Oder läuft es oft auf eine Abfindung hinaus?
Es gibt beides. Aber oft taucht im Prozess die Frage auf, für welchen Betrag Arbeitnehmer auf ihren Arbeitsplatz verzichten. Gerade wenn man schon die Rente im Blick hat, sollte der Betrag aber so hoch sein, dass man damit einen reibungslosen Übergang in die Rente hinbekommt?

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Brutto-Monatsgehälter je Jahr der Betriebszugehörigkeit gilt vor Arbeitsgerichten meist als Basis, um eine Abfindung zu berechnen.

Schützt eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage vor einer erneuten Kündigung?
Nein. Arbeitgeber müssen noch nicht mal den Abschluss des Verfahrens abwarten, sondern können jederzeit neu kündigen, wenn z.B. neue Fehlzeiten hinzukommen.

Kündigung bei Krankheit? - Rente & Co