Normalerweise interessiert sich das Finanzamt nicht für private Ausgaben. Deshalb sind diese auch für die Steuererklärung nicht relevant. Aber es gibt eine Ausnahme: Wer ungewöhnliche Ausgaben hat, weil es besondere Lebensumstände gibt, kann diese doch in der Steuerklärung angeben – und Steuern sparen. Aber: Außergewöhnliche Belastungen – so werden diese privaten Ausgaben steuerrechtlich genannt – gehören zu den kompliziertesten Dingen im Steuerrecht, über die vor Gericht auch häufig gestritten wird.
Zwei Arten von Belastungen
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von außergewöhnlichen Belastungen:
- Die allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen: Dazu zählen Gesundheitskosten wie Zuzahlungen für Medikamente oder im Krankhaus, Aufwendungen für Hilfsmittel wie Brillen oder Zahnersatz, aber auch Kosten für eine Bestattung oder Kosten, die man z.B. nach einem Hausbrand oder einem Hochwasser-Schaden hat. Steuern gespart werden kann aber nur, wenn die Kosten eine individuelle zumutbare Belastung übersteigen.
- Davon unterschieden werden besondere außergewöhnliche Belastungen. Dazu zählen z.B. die Kosten, die jemand mit einer Behinderung hat oder Kosten für auswärts wohnende Kinder in Ausbildung. Hier gibt es keine (!) zumutbare Belastung, sondern diese Ausgaben werden über einen Pauschbetrag abgegolten.
Bundesfinanzhof legt Grundsatz fest
Beachten sollten Steuerzahler die erste Gruppe der außergewöhnlichen Belastungen. Hier gilt der Grundsatz: Die Ausgaben mussten zwangsläufig sein. Das hat der Bundesfinanzhof vor kurzem in einem Grundsatz-Urteil für Gesundheitskosten bestätigt: Anerkannt wird, was medizinisch notwendig ist, so die obersten Finanzrichter (Az.: VI R 1/23); nicht anerkannt werden deshalb z.B. Mitgliedsbeiträge für ein Fitness-Studio, weil auch Gesunde ein Fitness-Studio nutzen könnten und in den Beiträgen oft andere Leistungen (Sauna) enthalten seien. Das heißt im Umkehrschluss: Anerkannt wird mit Blick auf Gesundheitskosten als außergewöhnliche Belastung nur was medizinisch notwendig ist.
Was gilt als außergewöhnliche Belastung?
Grundsätzlich abgesetzt werden können z.B. die Kosten für ein Hörgerät, eine Brille, für Rollstuhl, verordnete Massagen, Zuzahlungen für Medikamente, im Krankenhaus oder für eine Kur, aber auch für Heilpraktiker, Osteopathie oder Akupunktur. Nicht anerkannt werden dagegen alle vorbeugenden Ausgaben, also z.B. Zahnreinigung oder eben Sport-Kurse sowie natürlich alle Ausgaben, die von der Krankenkasse ersetzt werden. Wichtig: Abgesetzt werden können hier aber auch die Kosten für frei verkäufliche, also nicht verschreibungspflichtige Medikamente, sofern diese von Ärzten oder Heilpraktikern verordnet wurden. Dies gilt dann auch für Homöopathie, Bewegungstherapie oder Pflanzenheilkunde – auch darüber hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden (Az.: VI R 27/13).
"Besonders Rentner können mit außergewöhnlichen Belastungen ihre Steuerlast senken"

Rudolf Gramlich
Der Rente&Co-Experte Rudolf Gramlich arbeitet als Steuerberater in Buchen (Odenwald). Er ist auch Referent des Lohn- und Einkommenssteuer Hilfe-Ring (Lohnsteuerhilfeverein).
Ganz wichtig: Auch die selbst zu tragenden Kosten im Pflegefall gelten als außergewöhnliche Belastung und sind steuerlich absetzbar. Das betrifft den selbst zu zahlenden Teil in einem Pflegeheim wie auch bei der ambulanten Pflege. Wichtig dabei: Übernehmen Kinder die Kosten für ihre Eltern, können die Kinder diese Ausgaben in der eigenen Steuererklärung gelten machen.
Wie sich Kinder vor dem Zugriff des Sozialamtes schützen, falls die Eltern pflegebedürftig werden, erfahrt ihr hier:
Dabei gilt: Wer die Eltern finanziell unterstützt, die altersbedingt in einem Heim leben, kann diese Ausgaben als Unterhaltsleistungen bei der Steuererklärung einsetzen – diese gelten dann aber als besondere außergewöhnliche Belastung, bei denen es (s.o.) keine zumutbare Belastungsgrenze gibt. Das trifft genauso zu, falls man andere bedürftige Angehörige unterstützt, also z.B. erwachsene Kinder
Wie viel ist zumutbar?
Bei den allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen sieht das Steuerrecht eine zumutbare Belastungsgrenze vor. Das heißt: Ein Teil muss selbst getragen werden; nur der Teil der Ausgaben, der über einer zumutbaren Grenze liegt, wird anerkannt und spart Steuern. Dieses System der zumutbaren Belastung wurde bereits vor Jahren auch Bundesverfassungsgericht genehmigt (Az.: 2 BvR 180/16).
Ermittelt wird die zumutbare Belastungsgrenze nach einem Stufenmodell, das einerseits Haushaltsgröße und Familien-Situation berücksichtigt, andererseits unterschiedliche Einkommensklassen. Errechnet wird die zumutbare Belastungsgrenze als Prozentsatz von den Jahres-Gesamteinkünften (siehe Tabelle).
Zumutbare Belastungsgrenze
Familienstand | bis 15.340 Euro | bis 51.130 Euro | ab 51.130 Euro |
Alleinstehend | 5% | 6% | 7% |
Ehepaare | 4% | 5% | 6% |
Singles/Paare mit 1 oder 2 Kindern | 2% | 3% | 4% |
Singles/Paare mit 3 und mehr Kindern | 1% | 1% | 2% |
Quelle: Bundesfinanzministerium
Berechnet wird dann so: Angenommen eine alleinstehende Rentnerin hat 20.000 Euro Gesamteinkünfte, dann beträgt ihre zumutbare Belastungsgrenze 5% von 15.430 Euro = 771,50 Euro plus 6 % von 4.570 Euro = 274,20 Euro, insgesamt also 1.045,70 Euro im Jahr.
Zweites Beispiel: Ein Ehepaar mit zwei Kindern im Haushalt hat ein Jahres-Einkommen von 85.000 Euro, dann beträgt die zumutbare Belastungsgrenze: 2 % von 15.340 Euro = 306,80 Euro plus 3% von 51.130 Euro = 1.533,90 Euro plus 4% von 33.870 Euro (85.000 Euro – 51.130 Euro) = 1.354,80 Euro, insgesamt also 3.195,50 Euro.
Belege sammeln?
Lohnt es also Belege mit Gesundheitskosten zu sammeln, selbst wenn es sich nur um Euro-Beträge für Zuzahlungen in der Apotheke handelt? Ja. Denn niemand weiß am Anfang eines Jahres, welche Ausgaben im Lauf eines Jahres notwendig werden. Aber, es bringt nichts kleinere Summen in der Steuererklärung einzutragen (oder beim Finanzamt einzureichen), wenn man weiß, dass diese Ausgaben weit unterhalb der zumutbaren Belastungsgrenze liegen.